In unserer Blogserie über Business-Capabilities und Capability-Based Planning haben wir uns bisher hauptsächlich auf das Capability-Konzept selbst konzentriert. Wir haben erörtert, warum Capabilities als Konzept nützlich sind, wie man sie definiert und wie man Capability-Maps erstellt. Wir haben uns auch angeschaut, wie Sie Capability-Maps zur Bewältigung von unternehmerischen Herausforderungen wie beispielsweise Investitionsentscheidungen einsetzen können.
In diesem Blogbeitrag wollen wir den Blick über den Tellerrand hinaus richten und uns mit den Beziehungen zwischen den einzelnen Capabilities befassen, sowie Anwendungsbeispiele für Ihr Unternehmen und Ihre strategische Planung vorstellen.
Die Beziehung zwischen Unternehmensstrategie und Capabilities ist keine Einbahnstraße. Einerseits ist die Strategie eines Unternehmens ein Mittel, seine Capabilities und Ressourcen gezielt einzusetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Dies kann die Optimierung bestimmter Capabilities, die Entwicklung oder den Erwerb völlig neuer Capabilities oder sogar die Aufgabe einiger nicht zum Kerngeschäft gehörender, nicht strategischer Capabilities beinhalten.
Andererseits können Ihre vorhandenen Capabilities Sie dazu veranlassen, völlig neue Wege zu beschreiten. Wie zahlreiche Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes zu Beginn der Covid-Pandemie erkannten, konnten sie sich mit ihren vorhandenen Capabilities auf die Herstellung von persönlicher Schutzausrüstung oder sogar spezielleren Produkten wie Beatmungsgeräten umstellen. Genau das hat Demcon getan, ein benachbartes Unternehmen neben dem Hauptsitz von Bizzdesign in Enschede: Sie entwickelten, produzierten, testeten und lieferten innerhalb eines Monats komplette Belüftungssysteme und nutzten dabei ihre bereits vorhandenen Capabilities in der Herstellung verwandter Technologien.
Die Darstellung der strategischen Relevanz Ihrer Capabilities in Kombination mit Informationen über Kosten und Investitionen ist eine hervorragende Möglichkeit, die Entscheidungsfindung des Managements zu unterstützen. Weiter sehen Sie ein Beispiel, das auf den Ansichten eines unserer Kunden basiert. Das Beispiel zeigt in verschiedenen Farben die IT-Gesamtkosten für jede Capability (rot = sehr hoch, grün = sehr niedrig), berechnet als Summe der Betriebskosten der vorhandenen Systeme (run) und der Investitionen in neue IT (change). Diese Kosten werden entsprechend der Nutzung dieser Systeme durch den Kunden auf die Capabilities verteilt. Die Linienstärke stellt die strategische Bedeutung jeder Capability dar, die als gewichteter Mittelwert der Relevanz einer Capability in Bezug auf die fünf strategischen, langfristigen Ziele des Unternehmens berechnet wird.
Das für das Programmportfolio des Unternehmens verantwortliche Gremium verwendet diese Heatmaps für die IT-Investitionsplanung. In der Abbildung sehen Sie, dass der größte Teil der IT-Investitionen in die Geschäftsbereiche Vertrieb, Kundenmanagement und Zahlungsverkehr fließt, zu denen auch einige sehr strategische Sub-Capabilities wie die Zahlungsabwicklung gehören. Es sind auch strategisch wichtige Funktionen mit geringen IT-Investitionen zu sehen, z. B. die Kundenfakturierung, möglicherweise weil sie nicht IT-intensiv sind, aber vielleicht auch wegen einer fehlerhaften Zuweisung von Budgets. Umgekehrt werden in einige Capabilities erhebliche Investitionen getätigt, z. B. in das Kommunikationsmanagement, ohne dass sie für das Unternehmen von großer strategischer Bedeutung wären.
Hat Ihr strategisches Management diese Erkenntnisse auch ohne Capability-Based Planning?
Abbildung 1: Eine Heatmap der Capabilities mit den IT-Investitionsniveaus (Farbe) im Gegensatz zu ihrer strategischen Bedeutung (Beschriftung)
Vielleicht sind Sie mit dem Business-Model-Canvas vertraut, mit dem sich das Geschäftsmodell eines Unternehmens hervorragend darstellen lässt. Innerhalb dieser Struktur (siehe Abbildung unten) gibt es ein Feld mit der Bezeichnung „(Key)-Activities“. Hier werden nicht die operativen Aktivitäten beschrieben, sondern die für dieses Geschäftsmodell erforderlichen Schlüsselkompetenzen aufgelistet. Im folgenden Beispiel konzentrieren wir uns auf einen bestimmten Aspekt des Geschäftsmodells unseres Beispielunternehmens, der eine kundenorientierte Banking-App betrifft.
Abbildung 2: Business-Model-Canvas
Die wiederholte Verwendung derselben Capabilities im Business-Model-Canvas ist ein großartiges Beispiel dafür, wie Sie verschiedene Best Practices für die Geschäftsanalyse und für Business-Architektur miteinander verbinden können. Sie können sogar die strategische und die Investitionsanalyse, die wir zuvor beschrieben haben, im Canvas hervorheben. Das würde zum Beispiel zeigen, dass die strategische Bedeutung und die Investitionshöhe der Zahlungsabwicklung ihrer Rolle in diesem Geschäftsmodell entsprechen.
Für die „Vermögensverwaltungs“-Capability braucht ein Versicherungsunternehmen Personal mit den richtigen Fachkenntnissen: Informationen über die Finanzmärkte. Vielleicht sogar besonders leistungsstarke Transaktionssysteme und vieles mehr. Natürlich wollen Sie eine Capability möglichst unabhängig von ihrer konkreten Umsetzung definieren, aber ohne eine solche Umsetzung haben Sie diese Capability nicht.
Darüber hinaus haben Ressourcen oft einen strategischen Wert an sich: In einem Kupferbergbauunternehmen beispielsweise wird die Kupfermine in Ihrer Strategie an erster Stelle stehen. Sie werden über Ihr Unternehmen nicht im Sinne einer abstrakten Erzförderungs-Capability nachdenken, sondern im Hinblick darauf, wie Sie das Erz aus dieser spezifischen Mine mit all ihren geologischen und sonstigen Besonderheiten abbauen können. Gleichzeitig wollen Sie sich nicht in den Details eines Betriebsmodells verlieren, wenn Sie an Ihren Strategien arbeiten. Aus diesem Grund bietet die Modellierungssprache ArchiMate das Konzept „Ressource“ (definiert als jedweder Vermögenswert, der sich im Besitz oder unter der Kontrolle eines Individuums oder einer Organisation befindet), das Ihnen eine Strategieplanung auf einer übergeordneten Ebene ermöglicht. Siehe auch unser Blogbeitrag über ArchiMate 3.0 – Capability Realization als Beispiel.
Während Capabilities das Unternehmen als „ruhendes Geschäft“ darstellen, d. h. seine Fähigkeiten und Potenziale sichtbar machen, beschreiben Wertströme das „Geschäft in Bewegung“ (z. B. Abläufe von Aktivitäten zur Wertschöpfung für Kunden, Stakeholder und andere). Diese beiden Konzepte sind wie potenzielle und kinetische Energie in der Physik, sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Um ihre Beziehung zu beschreiben, kann ein Cross-Mapping zwischen Capabilities und Wertströmen durchgeführt werden. Dies zeigt, wie die Capabilities die Stufen eines Wertstroms unterstützen.
Dies kann auf einer sehr übergeordneten Ebene erfolgen, bei der Sie die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens erfassen. Die Stufen in dieser Wertschöpfungskette können den der obersten Ebene in der Capability-Map zugeordnet werden. Auf einer detaillierteren Ebene erfasst ein Wertstrom, wie ein bestimmtes Ergebnis der Wertschöpfung für einen bestimmten Stakeholder oder eine bestimmte Gruppe (z. B. ein Kundensegment) geschaffen wird. Die Stufen eines solchen detaillierteren Wertstroms werden wiederum durch Capabilities aus einer detaillierteren Ebene Ihrer Capability-Map unterstützt.
Eine Möglichkeit, dies darzustellen, ist die Erstellung einer Business-Outcome-Journey-Map. Diese ähnelt einer Customer-Journey-Map, allerdings auf einer übergeordneten Ebene. Anstatt die spezifischen Schritte zu beschreiben, die ein einzelner Kunde durchläuft (mit allen möglichen Ausnahmen und Varianten), zeigt sie die Stufen eines Wertstroms, die Ziele und Nutzenversprechen jeder Stufe und die sie unterstützenden Capabilities. Dies kann mit Ihrer bereits erwähnten Investitionsplanung oder dem Business-Model-Canvas verknüpft werden, in denen Sie z. B. auch diese Nutzenversprechen finden. Ein ArchiMate-Modell im Hintergrund ist von großem Wert, da es die Konzepte und Beziehungen sowohl des Business-Model-Canvas als auch der Capability-Map erfasst und alles miteinander in Verbindung bringt.
Abbildung 3: Business-Outcome-Journey-Map
In diesem Blogbeitrag haben wir bewährte Verfahren vorgestellt, um zu analysieren und neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, warum Sie in bestimmte Capabilities investieren (sollten). Außerdem haben wir uns angesehen, wie Sie mit Business-Model-Canvas, Ressourcen und Wertstromansichten mehr Kontextinformationen für Ihre strategische und betriebliche Planung erhalten können.
Im nächsten Teil dieser Blog-Serie werden wir uns damit befassen, wie Capabilities durch das Geschäftsmodell des Unternehmens realisiert werden. Seien Sie gespannt!
Alle Infos auf einen Blick finden Sie in unserem Whitepaper „Mit Capability-Based Planning von der Strategie zur Ausführung“.